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Aktuelles

25. März 2025

Schweiz: Sammelklagen – Rechtsstreitigkeiten, Richtlinien und neueste Entwicklungen

Von Urs Feller, Partner bei Prager Dreifuss Rechtsanwälte AG Zürich (Mit Genehmigung erneut veröffentlicht)

Einleitung
Der globale Trend zur Stärkung kollektiver Rechtsmittel hat auch die Schweiz erreicht. Die Debatte hat sich in jüngster Zeit erheblich intensiviert, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Grundsatzurteil entschieden hat, dass die unzureichenden Maßnahmen der Schweiz gegen den Klimawandel die Menschenrechte einer Gruppe älterer Schweizer Frauen verletzen. Auch die Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS im vergangenen Jahr, nach der Investoren erhebliche Verluste geltend machten, hat das Thema wieder aufleben lassen.

Da die Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) keinen echten repräsentativen Mechanismus für kollektive Rechtsbehelfe vorsieht, geht es in der laufenden politischen Debatte im Kern darum, ob – und wenn ja, in welchem Umfang – solche Rechtsstreitmechanismen eingeführt werden sollten, um den effektiven Zugang zur Justiz für Personen zu gewährleisten, die von Massenschäden betroffen sind.


Unter anderem ist das Wettbewerbsrecht einer der wichtigsten Anwendungsbereiche für kollektive Rechtsmittel, weshalb die aktuelle politische Debatte von Wirtschaftsverbänden und Wettbewerbsrechtlern aufmerksam verfolgt wird. Einerseits ist es wahrscheinlich, dass es in diesem Bereich zu Massenschäden kommt, da zwangsläufig eine große Anzahl von Verbrauchern oder Wettbewerbern von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht betroffen sein kann. Andererseits wird das wahre Ausmaß der Schäden, die durch wettbewerbswidrige Praktiken entstehen, oft erst dann deutlich, wenn einzelne Ansprüche gebündelt und in ihrer Gesamtheit betrachtet werden.

Das allgemeine Ziel des Schweizerischen Bundesrates bestand darin, die bestehenden Verfahrensinstrumente für die Anspruchsbündelung durch echte Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes zu ändern, die auf alle Rechtsbereiche anwendbar sind. Ende 2021 veröffentlichte der Schweizerische Bundesrat die Botschaft zum Gesetzesentwurf für die Einführung neuer kollektiver Rechtsschutzmechanismen. Obwohl die parlamentarischen Beratungen derzeit ausgesetzt sind, spiegelt der Entwurf die wichtigsten Gesetzesvorhaben im Bereich des kollektiven Rechtsschutzes wider, die in naher Zukunft in der einen oder anderen Form diskutiert werden. Dabei handelt es sich um die Einführung von:

 einem Verbandsklagerecht auf Wiedergutmachung und einem kollektiven Vergleichsverfahren.


Im Folgenden geben wir zunächst einen Überblick über die Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes, die unserer Meinung nach im wettbewerbsrechtlichen Kontext besonders relevant sind. Anschließend stellen wir den aktuellen Stand der politischen Debatte über die Einführung neuer kollektiver Rechtsschutzmechanismen in der Schweiz vor und erörtern schließlich die kürzlich vom Bundesrat vorgeschlagenen Gesetzesänderungen.

Bemerkenswerte kollektive Rechtsschutzmechanismen nach geltendem Recht

Der Schweizer Gesetzgeber hat sich in der Vergangenheit stets dagegen ausgesprochen, ein Instrument zur kollektiven Geltendmachung von Massenschadenersatzansprüchen bereitzustellen – nämlich Sammelklagen nach US-amerikanischem Vorbild, die im Allgemeinen als unvereinbar mit den Grundprinzipien des Schweizer Rechts gelten. Bei der Ausarbeitung des einheitlichen CPC, das am 1. Januar 2011 in Kraft trat, wurde wiederholt betont, dass die bestehenden Verfahrensmechanismen bereits ausreichende Mittel für die kollektive Geltendmachung von Massenschadenersatzansprüchen durch die Parteien bieten.[1] Vor diesem Hintergrund


wichtigsten Instrumente, die nach geltendem Recht eine Bündelung von Ansprüchen im wettbewerbsrechtlichen Kontext ermöglichen, näher betrachtet werden.[2]

Verbandsklage
Nach geltendem Recht stellt die Verbandsklage ein Instrument für repräsentative Rechtsstreitigkeiten dar. Der Schweizer Gesetzgeber führte die Verbandsklage erstmals im Bereich des unlauteren Wettbewerbs ein und ermöglichte es zugelassenen Verbänden, die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder zu wahren, indem sie in deren Namen Klagen wegen Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb einreichen. Mit der Zeit wurde der Anwendungsbereich der


Verbandsklage wurde erweitert.[3] In seiner aktuellen Fassung sieht Artikel 89 des einheitlichen CPC vor, dass Verbände und andere


Organisationen von nationaler oder regionaler Bedeutung, die laut Satzung befugt sind, die Interessen ihrer Mitglieder zu wahren, in bestimmten Fällen berechtigt sind, im eigenen Namen Ansprüche im Namen dieser Mitglieder geltend zu machen. Darüber hinaus sehen bestimmte Rechtsvorschriften ähnliche Verbandsklagen für weitere Rechtsbereiche vor, darunter beispielsweise unlauterer Wettbewerb, Markenrecht, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und die Rechte entsandter Arbeitnehmer aus der Europäischen Union.


Obwohl der Verbandsanspruch in der Botschaft zum einheitlichen CPC von 2006 als klassenklageähnliches Instrument gelobt wurde[4], hat er sich in der Praxis bisher als zahnlos erwiesen. Die mangelnde praktische Bedeutung ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen: Der Verbandsanspruch ist nicht nur auf Verletzungen der Persönlichkeitsrechte der Mitglieder der Gruppe beschränkt, sondern auch die Rechtsmittel sind begrenzt, da Verbände nur verlangen können, dass

eine drohende Verletzung verboten wird,


eine bestehende Verletzung abgestellt werden kann oder

eine fortwirkende Verletzung für unzulässig erklärt werden kann.

Geldforderungen sind dagegen unzulässig und müssen deshalb von den einzelnen Personen selbst eingeklagt werden. Zudem können nur Vereinigungen von gesamtschweizerischer oder regionaler Bedeutung von diesem Instrument Gebrauch machen.[5] Dasselbe gilt für Verbandsklagen, die auf besondere gesetzliche Bestimmungen gestützt werden, auf die Art. 89 Abs. 3 ZPO in seiner aktuellen Fassung ausdrücklich verweist.


Die vom Bundesrat vorgeschlagene Reform zielt darauf ab, die praktische Wirkung des Verbandsanspruchs zu stärken, indem sein Anwendungsbereich in mehrfacher Hinsicht erweitert wird. Vor allem soll die derzeitige Beschränkung auf Persönlichkeitsverletzungen aufgehoben werden, indem der Anwendungsbereich auf die Durchsetzung aller Rechtsverletzungen ausgedehnt wird. Künftig könnten daher Verbandsklagen in einer Vielzahl von Sachgebieten wie Kartell- und Lauterkeitsrecht, Finanzdienstleistungen, Datenschutz, Produkthaftung und Telekommunikation erhoben werden, um kollektive Rechtsbehelfe einheitlicher verfügbar zu machen. In dieser Hinsicht geht der Vorschlag sogar noch weiter als die EU-Richtlinie[6], die nur den Verbraucherschutz abdeckt.

Die Anforderungen werden klarer definiert, wobei Verbände und Organisationen berechtigt sind, eine Klage im eigenen Namen zu erheben, wenn:


sie nicht gewinnorientiert sind (was darauf hindeutet, dass der Bundesrat als potenzielle Kläger eher Vereine nach Artikel 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches und Stiftungen nach Artikel 80 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches als kommerzielle Organisationen im Sinn hat);

sie seit mindestens 12 Monaten bestehen (und somit nicht ad hoc auf kurzfristiger Basis gegründet wurden);


sie sind durch ihre Satzung oder ihre Statuten befugt, die Interessen der betroffenen Personen zu wahren; und

sie sind unabhängig vom Beklagten (was gemäß der Richtlinie (EU) 2020/1828 ebenfalls ein Schlüsselelement ist, siehe Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe e der EU-Richtlinie).


Wie nach geltendem Recht steht der Verbandsklageweg für Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung oder Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verstoßes zur Verfügung. Im letzteren Fall ist der Anspruch nicht mehr von einem zusätzlichen besonderen Interesse an einem Feststellungsurteil abhängig (Artikel 89 Absatz 2 des Entwurfs des CPC). Insbesondere wäre es nicht erforderlich, dass ein behaupteter Verstoß


weiterhin eine störende Wirkung haben, was in der Vergangenheit dazu geführt hat, dass Gerichte keine Verbandsklagen zugelassen haben.[7] Darüber hinaus würde ein neuer Absatz 3

ausdrücklich die Möglichkeit vorsehen, eine Benachrichtigung an Dritte oder die Veröffentlichung einer Gerichtsentscheidung zu beantragen.

Klage nach dem Schweizer Fusionsgesetz (FusG)

Artikel 105 des Fusionsgesetzes (FusG) berechtigt Aktionäre, beim zuständigen Gericht einen Antrag auf Schadenersatz zu stellen, wenn die bei einer Fusion beschlossenen Umtausch- oder Zuteilungsverhältnisse oder die entsprechende Entschädigung nicht angemessen sind. Die Rechtswirkungen des Urteils erstrecken sich auf die anderen Aktionäre, ohne dass ein ausdrückliches Opt-in erforderlich ist. Abweichend von der Verlierer-zahlt-Regel werden die Verfahrenskosten grundsätzlich von der Gesellschaft und nicht von den Klägern getragen. Wenn es die Umstände rechtfertigen, können die Kosten jedoch ganz oder teilweise dem Kläger in Rechnung gestellt werden.

Bisher hatte dieses Instrument nur geringe praktische Bedeutung, wird aber derzeit intensiv getestet, um Verluste, die durch die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS entstanden sind, kollektiv geltend zu machen. Laut Presseberichten wurde im Rahmen der Fusionsvereinbarung eine UBS-Aktie gegen 22,48 Aktien der Credit Suisse getauscht. Dieses Umtauschverhältnis basiert auf einer Bewertung der Credit Suisse von 0,76 Schweizer Franken pro Aktie. Der letzte Aktienkurs am 17. März 2023 lag jedoch bei 1,86 Schweizer Franken pro Aktie. Bekanntlich erforderte die Transaktion ein Eingreifen des Bundesrates, der Schweizerischen Nationalbank und der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) auf der Grundlage von Notstandsgesetzen. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte diese Aspekte im Zusammenhang mit der Fusion gewichten werden.

Verbund von Parteien und Konsolidierung durch das Gericht
Das CPC sieht den Verbund von Parteien vor (Artikel 71). Parteien können ihre Ansprüche verbinden, sofern jeder der Ansprüche auf einem ähnlichen Sachverhalt oder Rechtsgrund beruht und das Gericht für diese Ansprüche zuständig ist. Die praktische Bedeutung der Verbindung von Parteien zur Geltendmachung von Massenschadensersatzansprüchen ist jedoch begrenzt, da die Verbindung zahlreicher Parteien mit unterschiedlichen – möglicherweise widersprüchlichen – Zielen schwierig zu koordinieren sein kann. Darüber hinaus bleibt jeder Fall unabhängig und muss einzeln verhandelt werden, wobei unterschiedliche Ergebnisse möglich sind.

Außerdem können zusammenhängende Verfahren, die von verschiedenen Klägern getrennt eingeleitet wurden, zusammengefasst werden. Eine Verfahrensverbindung durch das Gericht führt letztlich zu einer Zusammenlegung der Parteien, weshalb auch die oben erörterten besonderen Fragen berücksichtigt werden müssen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensverbindung ein Instrument des Prozessmanagements für das Gericht ist und die Parteien eine Verbindung von getrennt geführten Verfahren nur in begrenztem Umfang verlangen können. Ebenso bietet die Verweisung zusammenhängender Verfahren an ein anderes Gericht gemäß Artikel 127 der Zivilprozessordnung – oder in internationalen Rechtsstreitigkeiten gemäß Artikel 28 Absatz 2 des Lugano-Übereinkommens – nur begrenzte Abhilfe.

Testfälle
Testfälle (auch als Muster- oder Pilotfälle bezeichnet) bieten eine kostengünstige Möglichkeit, Massenschadensfälle zu bearbeiten und die Einheitlichkeit von Gerichtsentscheidungen zu gewährleisten. Dieses Instrument für Rechtsstreitigkeiten basiert auf einer Vereinbarung zwischen den Klägern und dem Beklagten. Die Parteien vereinbaren, dass das Ergebnis eines von einem der Kläger angestrengten Musterverfahrens für alle von der Vereinbarung abgedeckten Ansprüche bindend ist. Da allgemein anerkannt ist, dass der Umfang der Rechtskraft nicht der Disposition der Parteien unterliegt, werden die Auswirkungen des im Musterverfahren ergangenen Urteils nicht direkt auf die Parteien ausgedehnt, die nicht formell an dem Rechtsstreit beteiligt sind.

 

Gemäß Artikel 126 Absatz 1 der Zivilprozessordnung können bereits anhängige Verfahren bis zur Beilegung des Musterverfahrens ausgesetzt werden. Daher ist es ratsam, dass die Parteien gemeinsam einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens beim Gericht stellen. Um die spätere Durchsetzung der von der Vereinbarung erfassten Ansprüche nicht zu gefährden, ist es für die Kläger außerdem unerlässlich, dass die Vereinbarung auch einen Verzicht auf die Verjährungsfrist enthält. Die Durchführbarkeit von Musterprozessen hängt daher maßgeblich von der Kooperationsbereitschaft des Beklagten ab, was erklären könnte, warum in der Praxis die Anwendung dieses Prozessinstruments vor allem bei öffentlich-rechtlich organisierten Beklagten in Betracht gezogen wird.[8]

Abtretungsmodell
Eine weitere Möglichkeit für Geschädigte besteht darin, sich einer Vielzahl von Ansprüchen durch Abtretung an eine Partei (Zessionar) anzuschließen, bei der es sich beispielsweise um eine Verbraucherorganisation, einen professionellen Dienstleister oder eine ad hoc gegründete Einrichtung handelt. Der Abtretungsempfänger bündelt und veräußert die Ansprüche dann in seinem eigenen Namen und nicht im Namen der abtretenden Personen in einem regulären Zweiparteienverfahren durch eine Zusammenlegung der Ansprüche (das Abtretungsmodell). Dieses Konzept ermöglicht es auch Prozessfinanzierern, den Abtretungsempfänger


, was sich in der Praxis als charakteristisches Merkmal des Modells erwiesen hat. Im Verfahren wird dann jeder Anspruch einzeln auf seine Begründetheit geprüft. Das Urteil hat nur für die Parteien bindende Wirkung, die ihre Ansprüche wirksam abgetreten haben. Auf dieser Grundlage ist das Abtretungsmodell als Opt-in-Mechanismus für kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren konzipiert.


In einem kürzlich in der Schweiz verhandelten Fall mit großer Medienpräsenz wurde das Abtretungsmodell im Zusammenhang mit Dieselgate getestet. Eine Stiftung für Konsumentenschutz (Stiftung für Konsumentenschutz) führte im Namen von etwa 6.000 Verbrauchern eine Klage gegen die Volkswagen AG und die AMAG AG, den Schweizer Autoimporteur von Volkswagen, an. Das Handelsgericht des Kantons Zürich entschied, dass die Stiftung im Wesentlichen als prozessuales Vehikel für die einzelnen Autobesitzer fungierte und dass die


Satzung der Stiftung eine solche Tätigkeit nicht zulasse.[9] Später wurde das Urteil vom Schweizerischen Bundesgericht in einem Urteil bestätigt, das nicht im amtlichen Bericht über die Entscheidungen des Bundesgerichts enthalten ist.[10]

Der Fall Dieselgate zeigt, dass in der Schweiz – im Gegensatz zum Trend in anderen Rechtsordnungen – die Geltendmachung von Massenschadenersatzansprüchen über das Abtretungsmodell noch an Dynamik gewinnen muss. Das Urteil spiegelt zwar die Skepsis der Schweizer Gerichte gegenüber möglichen negativen Nebenwirkungen von Gruppenklagen wider, darf aber aus unserer Sicht nicht als Ablehnung des Abtretungsmodells in seiner Gesamtheit missverstanden werden. Wie in anderen Rechtsordnungen auch ist nicht auszuschließen, dass das Abtretungsmodell in Zukunft in der Schweiz weiter an Bedeutung gewinnen wird. Dies gilt umso mehr, als der Bevollmächtigte nicht unbedingt die in Artikel 89 der Zivilprozessordnung festgelegten Anforderungen erfüllen muss, um im Namen der betroffenen Personen eine Klage zu erheben. Darüber hinaus könnte das Abtretungsmodell angesichts des erheblichen

politischen Widerstands, auf den der Entwurf des Bundesrates wahrscheinlich stoßen wird, in naher Zukunft eines der wenigen verfügbaren Rechtsmittel zur Durchsetzung von Massenschadensersatzansprüchen bleiben.[11]

Vom Bundesrat vorgeschlagene Gesetzesreform

Politische Debatte über die Einführung neuer kollektiver Rechtsschutzmechanismen in der Schweiz
Die Richtlinie über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren trat am 24. Dezember 2020 in der Europäischen Union in Kraft.[12] Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union mussten die EU-Richtlinie bis zum 25. Dezember 2022 in ihr nationales Recht umsetzen und diese Maßnahmen ab dem 25. Juni 2023 anwenden.


Obwohl die Schweiz nicht zur Europäischen Union gehört, hat der Schweizerische Bundesrat gleichzeitig versucht, die Geltendmachung von Massenschadenersatzansprüchen zu erleichtern, indem er den Anwendungsbereich des traditionellen Verbandsanspruchs erweitert und neue kollektive Rechtsbehelfe eingeführt hat. So wurde am 10. Dezember 2021 die Botschaft zum Gesetzesentwurf veröffentlicht.

[13]

 

 

Im Vorfeld der parlamentarischen Beratung im ersten Halbjahr 2022 stieß der Entwurf jedoch auf erheblichen Widerstand. In einer Medienmitteilung vom 24. Juni 2022[14] lehnte die Rechtskommission (RK) des Schweizer Nationalrats[15] die Eröffnung der Vernehmlassung ab, da sie der Ansicht war, dass der Entwurf des Bundesrats zu viele Fragen offen lasse und es daher nicht möglich sei, den gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Bereich der Ausweitung des kollektiven Rechtsschutzes vollständig zu beurteilen. Insbesondere forderte die RK umfassendere Informationen über die wirtschaftlichen Auswirkungen der vorgeschlagenen Instrumente auf potenziell betroffene Unternehmen.


Anschließend wurde das zuständige Eidgenössische Departement[16] beauftragt, eine Beurteilung der möglichen regulatorischen

Auswirkungen der Einführung neuer kollektiver Rechtsschutzmechanismen vorzunehmen. Darüber hinaus forderte die LAC einen umfassenden Vergleich der kollektiven Rechtsschutzmechanismen in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten.


In einer Medienmitteilung vom 4. Juli 2023[17] teilte der LAC mit, dass die Evaluation mehr Zeit in Anspruch nehmen werde und dass vor einem Entscheid über das weitere Vorgehen noch eine zusätzliche Beurteilung (z. B. mittels Befragung direkt betroffener Unternehmen) angezeigt sei.


Die folgende Untersuchung hat gezeigt, dass die in der Regulierungsfolgenabschätzung getroffenen Annahmen und Einschätzungen weitgehend bestätigt werden, wie in einer Medienmitteilung vom 12. April 2024 angekündigt.[18] Nach der jüngsten Verurteilung der Schweiz durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)[19] sieht die Kommission jedoch weiteren Klärungsbedarf und hat daher


die Verwaltung angewiesen, über alle direkten oder indirekten Folgen zu berichten, die diese Entscheidung für die Gestaltung von kollektiven Rechtsschutzmechanismen haben könnte.

Die Beschwerdeführer hatten sich an den EGMR gewandt, nachdem das Schweizerische Bundesgericht eine bei ihm eingereichte Beschwerde abgewiesen hatte. In den nationalen Verfahren hatte das Bundesgericht die Klagebefugnis der natürlichen Personen anerkannt, da sie (1) am vorherigen Verfahren teilgenommen hatten, (2) von dem angefochtenen Urteil besonders betroffen waren und (3)

 

ein berechtigtes Interesse an der Aufhebung des Urteils hatten. Die Frage, ob der klagende Verband ebenfalls befugt war, eine Sammelklage einzureichen, wurde offen gelassen.[20] Die Klage wurde jedoch abgewiesen, da das Schweizerische Bundesgericht befand, dass das Recht auf Leben der natürlichen Personen nicht ausreichend betroffen war.[21]

Der EGMR bekräftigte, dass die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) keine actio popularis vorsieht und dass


eine Person, eine Nichtregierungsorganisation oder eine Gruppe von Personen in der Lage sein muss, geltend zu machen, Opfer einer Verletzung der in der Konvention festgelegten Rechte zu sein.[22]


In Bezug auf den Opferstatus einzelner Personen und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Klimawandels stützte sich der EGMR auf zusätzliche Unterscheidungsmerkmale wie ein bestimmtes Ausmaß und eine bestimmte Schwere des Risikos nachteiliger Folgen des Klimawandels für die betreffenden Personen, da ansonsten praktisch jeder vom Klimawandel betroffen sein und daher den Opferstatus beanspruchen könnte. [23] Der Gerichtshof entschied, dass nur dann, wenn eine natürliche Person (1) in hohem Maße den nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels ausgesetzt ist, d. h. das Ausmaß und die Schwere dieser Folgen (bzw. das Risiko dieser Folgen) müssen erheblich sein, und


(b) es eine dringende Notwendigkeit gab, den Schutz dieser natürlichen Person zu gewährleisten, da keine oder nur unzureichende angemessene Maßnahmen zur Schadensminderung getroffen wurden, sollte eine natürliche Person den Opferstatus erhalten.[24] Da die antragstellenden natürlichen Personen diese Kriterien in diesem Fall nicht erfüllten, waren ihre Beschwerden unzulässig.[25]


In Bezug auf den klagenden Verband erinnerte das Gericht daran, dass sich Verbände nicht auf gesundheitliche Bedenken oder Belästigungen und Probleme im Zusammenhang mit dem Klimawandel berufen können, mit denen nur natürliche Personen konfrontiert werden können. [26] In Anbetracht der Bedeutung des Aarhus-Übereinkommens[27], das vorsieht, dass Nichtregierungsorganisationen in Angelegenheiten des Umweltschutzes einen umfassenden Zugang zu Gerichten haben müssen,[28] erkannte das Gericht jedoch die Möglichkeit an, dass ein Verband vor Gericht klagebefugt ist, obwohl er selbst nicht behaupten kann, Opfer einer Verletzung des Übereinkommens zu sein, [29] da die Vereinigung (1) rechtmäßig in der betreffenden Gerichtsbarkeit ansässig ist oder dort klagebefugt ist, (2) nachweisen kann, dass sie einen bestimmten Zweck im Einklang mit ihren satzungsmäßigen Zielen bei der Verteidigung der Menschenrechte ihrer Mitglieder oder anderer betroffener Personen innerhalb der betreffenden Gerichtsbarkeit verfolgt, unabhängig davon, ob dies auf kollektive Maßnahmen zum Schutz dieser Rechte gegen die Bedrohungen durch den Klimawandel beschränkt ist oder


kollektive Maßnahmen zum Schutz dieser Rechte gegen die Bedrohungen durch den Klimawandel umfassen, und (3) nachweisen kann, dass sie als wirklich qualifiziert und repräsentativ angesehen werden kann, um im Namen von Mitgliedern oder anderen betroffenen Personen innerhalb des Zuständigkeitsbereichs zu handeln, die spezifischen Bedrohungen oder nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihr Wohlergehen ausgesetzt sind, wie sie durch das Übereinkommen geschützt sind. Die Klagebefugnis einer Vereinigung, im Namen der Mitglieder oder anderer betroffener Personen zu handeln, würde nicht davon abhängen, ob die Personen, in deren Namen der Fall vorgebracht wurde, selbst

die Anforderungen für den Opferstatus erfüllt hätten.[30]


Im Falle bestehender Einschränkungen hinsichtlich der Klagebefugnis von Verbänden, die die oben genannten Anforderungen des Übereinkommens erfüllen, stellt der Gerichtshof fest, dass er im Interesse einer ordnungsgemäßen Rechtspflege auch berücksichtigen kann, ob und inwieweit seine einzelnen Mitglieder oder andere betroffene Personen in demselben oder einem damit zusammenhängenden innerstaatlichen Verfahren Zugang zu einem Gericht gehabt haben könnten.[31] Der Gerichtshof entschied, dass der klagende Verband in diesem Fall diese Kriterien erfüllte und daher


im vorliegenden Verfahren klagebefugt war.[32]

Die LAC wird voraussichtlich in der Herbstsession 2024 die Beratungen über den Entwurf wieder aufnehmen. Im Hinblick auf die anstehende politische Debatte in der Schweiz verdienen die vom Bundesrat vorgeschlagenen neuen Instrumente für kollektive Rechtsbehelfe eine genauere Betrachtung.

Neuer Verbandsanspruch zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen

Neben der Stärkung des bestehenden Verbandsklagerechts (Art. 89 ZPO) sieht der Entwurf[33] eine eigenständige Verbandsklage zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen vor (Art. 307 lit. b ff. E-ZPO). Diese „reparierende“ Verbandsklage soll die Geltendmachung von Geldforderungen ermöglichen, insbesondere in Fällen von Massenschäden.


Nach dem Entwurf können Verbände oder Organisationen Ansprüche im eigenen Namen und auf eigenes Risiko, aber im Namen der von ihnen vertretenen Personen geltend machen (Artikel 307(b) des CPC-Entwurfs). Die betroffenen Personen müssen entweder den Verband zuvor ermächtigt haben, in ihrem Namen Klage zu erheben, oder sich der Klage nach deren Zulassung angeschlossen haben (Artikel 307(d) des CPC-Entwurfs). Personen, die nicht direkt Teil des Anspruchs sind, sind nicht an ein Urteil im Zusammenhang mit dem Verbandsanspruch gebunden, selbst wenn sie einen ähnlichen Schaden erlitten haben. Der Vorschlag basiert auf dem Opt-in-Prinzip, nach dem nur Personen, die

ausdrücklich ihre Zustimmung zur Klage gegeben haben, von der Rechtskraft des Urteils erfasst werden.[34]

Die Erhebung einer Verbandsklage auf Wiedergutmachung, wie sie im Entwurf vorgesehen ist, ist unter folgenden Bedingungen zulässig:[35]


die Vereinigung oder Organisation ist berechtigt, eine Verbandsklage entweder gemäß Artikel 89 des CPC-Entwurfs oder gemäß einer besonderen gesetzlichen Bestimmung, wie dem Schweizer Bundesgesetz über die Mitwirkung der Arbeitnehmer, dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, dem Markenschutzgesetz oder dem Gleichstellungsgesetz (Artikel 307(b), Buchstabe a des CPC-Entwurfs), zu erheben;


der Verband oder die Organisation von mindestens 10 betroffenen Personen schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zur Klageerhebung ermächtigt wurde (Artikel 307(b) des CPC-Entwurfs). Damit soll sichergestellt werden, dass eine Verbandsklage nur dann erhoben werden kann, wenn eine größere Anzahl von Personen betroffen ist. Die Ermächtigungsvoraussetzung muss zum Zeitpunkt der Erhebung der Verbandsklage erfüllt sein; und


die geltend gemachten Ansprüche auf ähnlichen Umständen oder Rechtsgründen beruhen (Artikel 307(b), Buchstabe c des CPC-Entwurfs). Diese Anforderung überschneidet sich mit dem tatsächlichen Zusammenhang, der für den (freiwilligen) Beitritt von Parteien gemäß Artikel 71 des CPC erforderlich ist, und soll sicherstellen, dass eine gebündelte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen effizient und wirtschaftlich ist.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der „reparierende“ Verbandsanspruch ein echtes Instrument für repräsentative Rechtsstreitigkeiten zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen darstellt. Ob sich der Verbandsanspruch jedoch auch in Streitigkeiten mit geringem Streitwert als wirksam erweisen wird, wie vom Schweizerischen Bundesrat vorgesehen,[36] ist schwer vorherzusagen. Wie bereits erwähnt, basiert der Verbandsanspruch auf einem Opt-in-Prinzip und erfordert daher in jedem Fall eine separate Genehmigung durch die betroffenen Personen.

Neues kollektives Vergleichsverfahren

Erfahrungsgemäß wird eine beträchtliche Anzahl von Sammelstreitigkeiten durch einen Vergleich beigelegt. Daher soll das neue Verbandsklageverfahren durch Bestimmungen ergänzt werden, die kollektive Vergleiche ermöglichen (Artikel 307(h) ff. des Entwurfs des CPC). Teile des Vorschlags orientieren sich am niederländischen Modell für kollektive Vergleichsverfahren, das im Juli 2005 verabschiedet wurde (das Gesetz über die kollektive Beilegung von Massenschäden). Im Entwurf des Schweizerischen Bundesrates kann zwischen folgenden Verfahren unterschieden werden:


Kollektivvergleiche im Rahmen einer Verbandsklage und Kollektivvergleiche ohne vorausgehende Verbandsklage.

Die wichtigsten Elemente der geplanten Mechanismen sind folgende.

Kollektive Vergleiche im Rahmen einer Verbandsklage

Kollektivvergleiche können im Rahmen einer Verbandsklage erzielt werden, wobei der Vergleich vom Gericht genehmigt werden muss, da die betroffenen Personen nicht direkt am Gerichtsverfahren beteiligt sind. Folglich müssen die Parteien des Verbandsanspruchs – d. h. der Verband oder die Organisation selbst einerseits und der Beklagte andererseits – den erzielten Vergleich dem Gericht zur Genehmigung vorlegen (Artikel 307(h) des CPC-Entwurfs). Das Gericht genehmigt den Vergleich, wenn (Artikel 307(j) des CPC-Entwurfs):

er angemessen ist;


von den Parteien akzeptiert wird (eine Mindestanzahl oder Quote der vom Vergleich betroffenen Personen wurde erreicht);

nicht gegen zwingendes Recht verstößt;

die Kostenfolgen angemessen geregelt sind; und

die Interessen der vom Vergleich betroffenen Personen insgesamt angemessen geschützt sind.

In der Regel sind die Personen, die in den Vergleich einbezogen werden, diejenigen, die sich der Verbandsklage angeschlossen haben (Artikel 307(h), Absatz 1 des CPC-Entwurfs). Der Großteil der erzielten Vergleiche wird daher auf einem Opt-in-Prinzip basieren. In bestimmten Fällen und auf Antrag der Parteien kann das Gericht jedoch die Wirkung des Vergleichs auf alle von der Verletzung betroffenen Personen ausdehnen, die sich nicht innerhalb einer Frist von mindestens drei Monaten nach der Veröffentlichung des Vergleichsvorschlags in einem elektronischen Register abmelden (Artikel 307(h), Absatz 2 des CPC-Entwurfs). In diesen Fällen wäre der Gruppenvergleich ein Opt-out-Vergleich. Um jedoch Probleme im Zusammenhang mit einem ordnungsgemäßen Verfahren oder einer ordnungsgemäßen Zustellung zu vermeiden, gilt eine solche Erweiterung nur für betroffene Personen, die ihren Sitz oder Wohnsitz in der Schweiz haben. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass

die abgedeckten Ansprüche von so geringem Wert sind, dass sich ein Einzelanspruch nicht lohnen würde (Artikel 307(h), Absatz 2, Buchstabe a des CPC-Entwurfs); und


eine erhebliche Anzahl der betroffenen Personen sich nicht der Verbandsklage angeschlossen hat (Art. 307 lit. h Abs. 2 Bst. b E-ZPO).

Letzteres soll nach dem Willen des Bundesrates immer dann der Fall sein, wenn sich mindestens ein Drittel der betroffenen Personen nicht der Klage angeschlossen hat.[37]

Kollektive Vergleiche ohne vorherige Verbandsklage


Der Entwurf sieht zudem auch ein kollektives Vergleichsverfahren ohne vorausgehenden Verbandsanspruch vor (Art. 307 lit. k E-ZPO). Gemäß Botschaft soll die Möglichkeit zum Abschluss eines kollektiven Vergleichs auch bestehen, ohne dass die Parteien vorgängig einen Verbandsanspruch einführen müssen.[38] Die Voraussetzungen sind dabei weitgehend identisch mit denjenigen des kollektiven Vergleichs im Zusammenhang mit einem Verbandsanspruch, wie oben dargestellt. Kollektive Vergleiche ohne vorausgehenden Verbandsanspruch


können daher nur von Vereinigungen oder Organisationen ausgehandelt werden, die nach Artikel 89 des CPC-Entwurfs oder aufgrund einer besonderen gesetzlichen Bestimmung (Artikel 307(k), Buchstabe a des CPC-Entwurfs) zur Erhebung einer Verbandsklage berechtigt sind. Darüber hinaus müssen die geltend gemachten Ansprüche auf ähnlichen Umständen oder Rechtsgründen beruhen (Artikel 307(k), Buchstabe b des CPC-Entwurfs). Im Gegensatz zu einem Vergleich im Rahmen einer Verbandsklage sind kollektive Vergleiche ohne vorausgehende Verbandsklage nur auf der Grundlage eines Opt-out-Prinzips zulässig. Daher müssen die abgedeckten Ansprüche von so geringem Wert sein, dass sich eine Einzelklage nicht lohnen würde (Artikel 307(k), Buchstabe c des CPC-Entwurfs). Was das Verfahren betrifft, so sind die Bestimmungen über kollektive

 

im Rahmen einer Verbandsklage anwendbar, wobei alle erforderlichen Änderungen vorgenommen wurden (Artikel 307(l) des CPC). Folglich müssen die Parteien im Rahmen von Sammelvergleichen ohne vorherige Verbandsklage dem Gericht den Vergleichsentwurf zur Genehmigung vorlegen (Artikel 307(h) ff. des CPC).[39]

Ausblick

Es ist davon auszugehen, dass in den letzten Jahren in der Europäischen Union und auch in der Schweiz ein breiter Konsens über die Notwendigkeit eines besseren Zugangs zur Justiz für Einzelpersonen sowie kleine und mittlere Unternehmen, die von Massenschäden betroffen sind, entstanden ist. Dies wurde kürzlich im Zusammenhang mit dem Urteil des EGMR zum Klimawandel sowie der Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS erneut deutlich. Eine hohe Anzahl von Fällen im Zusammenhang mit dieser Fusion ist derzeit anhängig und wird weitere Erkenntnisse über die derzeit verfügbaren Optionen für betroffene Kläger und die Frage liefern, ob diese Optionen geändert oder neu gestaltet werden müssen. Durch die Arbeit an der Umsetzung neuer kollektiver Rechtsschutzmechanismen hält der Schweizerische Bundesrat auch mit den jüngsten Entwicklungen in der Europäischen Union Schritt. Es ist daher davon auszugehen, dass die Vorteile für Parteien, die nach einem effizienten und kostengünstigen Weg zur Geltendmachung von Massenschadensersatzansprüchen suchen, die potenziellen Risiken, die im Allgemeinen mit kollektivem Rechtsschutz verbunden sind, überwiegen dürften. Das Opt-out-basierte kollektive Vergleichsverfahren kann beispielsweise den Zugang zur Justiz in Fällen erleichtern, in denen die Geltendmachung von Ansprüchen auf individueller Basis aus Kostengründen gescheitert wäre (rationale Apathie). Potenzielle Beklagte könnten die Option kollektiver Vergleiche ohne vorherigen Verbandsanspruch bevorzugen, bei dem aufgrund der Anwendung des Opt-out-Prinzips alle Ansprüche potenzieller Kläger auf einmal beigelegt werden können. Dies sorgt für eine endgültige Lösung sowie Rechtssicherheit, die für jedes Unternehmen relevant ist. Da der vorgelegte Entwurf jedoch auf politischen Widerstand stieß, bleibt abzuwarten, ob er wie vom Schweizerischen Bundesrat beabsichtigt in Kraft treten wird.

 

 

 


Fußnoten
[1] Botschaft des Schweizerischen Bundesrates zum CPC vom 28. Juni 2006, BBl 2006, S. 7224 und 7290.


[2] Für einen allgemeinen Überblick über die Mechanismen, die nach geltendem Schweizer Recht eine Bündelung von Ansprüchen ermöglichen, siehe z. B. Domej, Tanja, „Einheitlicher kollektiver Rechtsschutz in Europa?“, ZZP 2012, S. 423 ff.; Müller, Karin, „Kollektiver Rechtsschutz in der Schweiz, Braucht es ein Gruppenvergleichsverfahren?“, Haftpflichtprozess 2019, S. 18 ff.; Gordon-Vrba, Lucy, Vielparteienprozesse, Zürich/Basel/Genf 2007, S. 169 ff.

[3] Baumgartner, Samuel P, „Switzerland“, The Annals of the American Academy of Political and Social Science 2009, S. 181 ff.


[4] Botschaft des Schweizerischen Bundesrates zum CPC vom 28. Juni 2006, BBl 2006, Seite 7224.

[5] Baumgartner, Samuel P, „Switzerland“, The Annals of the American Academy of Political and Social Science 2009, Seiten 181 ff.


[6] Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG.

 


[7] Schweizerisches Bundesgericht, 4A_483/2018, vom 8. Februar 2019, Erwägungsgrund 3.

[8] Baumgartner, Samuel P, „Switzerland“, The Annals of the American Academy of Political and Social Science 2009, Seite 185, mit Verweisen auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichts.

 

 

[9] Handelsgericht des Kantons Zürich, Urteil vom 6. Dezember 2019, HG170257.


[10] Schweizerisches Bundesgericht, 4A_43/2020, vom 16. Juli 2020.

[11] Heisch, Martin, Abtretungsmodelle im Zivilprozess: Die gebündelte Anspruchsdurchsetzung mittels Inkassozession, objektiver Klagenhäufung und Prozessfinanzierung, Zürich/Basel/Genf 2022, S. 13 ff.


[12] Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG.

[13] Botschaft des Schweizerischen Bundesrates zur Änderung des CPC vom 10. Dezember 2021, BBl 2021, S. 1 ff.

[14] https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-rk-n-2022-06-24.aspx.


[15] Siehe Pressemitteilung der LAC vom 24. Juni 2022.

 

 


[16] Schweizerisches Bundesamt für Justiz und Polizei.

[17] https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-rk-2023-07-04.aspx.


[18] https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-rk-n-2024-04-12.aspx.

 

 

 

 

[19] Rechtssache Nr. 53600/20 in der Angelegenheit Verein Klimaseniorinnen Schweiz und andere gegen die Schweiz vom 9. April 2024.


[20] Schweizerisches Bundesgericht, BGE 146 I 145, vom 5. Mai 2020, Kons. 1.

 

 


[21] Schweizerisches Bundesgericht, BGE 146 I 145, vom 5. Mai 2020, Kons. 5.4.


[22] Rechtssache Nr. 53600/20 in der Angelegenheit Verein Klimaseniorinnen Schweiz und andere gegen Schweiz vom 9. April 2024, Abs. 460.

[23] Rechtssache Nr. 53600/20 in der Angelegenheit Verein Klimaseniorinnen Schweiz und andere gegen Schweiz vom 9. April 2024, Abs. 485 ff.


[24] Rechtssache Nr. 53600/20 in der Sache Verein Klimaseniorinnen Schweiz und andere gegen Schweiz vom 9. April 2024, Abs. 486.

[25] Rechtssache Nr. 53600/20 in der Sache Verein Klimaseniorinnen Schweiz und andere gegen Schweiz vom 9. April 2024, Abs. 535.


[26] Rechtssache Nr. 53600/20 in der Sache Verein Klimaseniorinnen Schweiz und andere gegen Schweiz vom 9. April 2024, Abs. 496.

[27] Übereinkommen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten.


[28] Rechtssache Nr. 53600/20 in der Angelegenheit Verein Klimaseniorinnen Schweiz und andere gegen Schweiz vom 9. April 2024, Abs. 491.

[29] Rechtssache Nr. 53600/20 in der Angelegenheit Verein Klimaseniorinnen Schweiz und andere gegen Schweiz vom 9. April 2024, Abs. 498.


[30] Rechtssache Nr. 53600/20 in der Sache Verein Klimaseniorinnen Schweiz und andere gegen Schweiz vom 9. April 2024, Abs. 502.

[31] Rechtssache Nr. 53600/20 in der Sache Verein Klimaseniorinnen Schweiz und andere gegen Schweiz vom 9. April 2024, Abs. 503.


[32] Rechtssache Nr. 53600/20 in der Sache Verein Klimaseniorinnen Schweiz und andere gegen Schweiz vom 9. April 2024, Abs. 526.

 

 


[33] Siehe Kapitel II, Abschnitt 1.


[34] Peter, Matthis/Hoffmann-Nowotny, Urs, Der ZPO-Revisionsentwurf zum kollektiven Rechtsschutz, AJP 2022, S. 576 ff.

[35] Botschaft des Schweizerischen Bundesrates zur Änderung der ZPO vom 10. Dezember 2021, BBl 2021, S. 23 ff.


[36] Botschaft des Schweizerischen Bundesrates zur Änderung der ZPO vom 10. Dezember 2021, BBl. 2021, S. 24.


[37] Peter, Matthis/Hoffmann-Nowotny, Urs, Der ZPO-Revisionsentwurf zum kollektiven Rechtsschutz, AJP 2022, S. 582 ff.; Botschaft des Schweizerischen Bundesrates zur Änderung der ZPO vom 10. Dezember 2021, BBl 2021, S. 29.


[38] Botschaft des Schweizerischen Bundesrates zur Änderung der ZPO vom 10. Dezember 2021, BBl. 2021, S. 31.

[39] Peter, Matthis/Hoffmann-Nowotny, Urs, Der ZPO-Revisionsentwurf zum kollektiven Rechtsschutz, AJP 2022, S. 585 ff.